02.11. Aufbruch Kapverden Jetzt ist es soweit, heute verlassen wir den südlichsten Zipfel Europas und damit verabschieden wir uns auch von den liebgewonnen Tapas, Bocadillos, Tortillas, Chorizos und dem leckeren Jamòn Schinken.
Im Süden von El Hierro, in La Restinga, kommen übrigens sehr viele Flüchtlingsboote aus dem Senegal an. Ich hoffe inständig, wir sehen unterwegs keine!
Gegen 11 Uhr legen wir ab und werden erstmal so richtig von den Atlantikwellen durchgeschaukelt. Es wird deutlich besser, nachdem wir El Hierro hinter uns lassen und dann bei 15 kn achterlich einigermaßen komfortabel mit 6-7 kn Speed davonbrausen. Bei den 15 kn Wind ist es nicht lange geblieben, wir haben schnell 16-20 kn aus NO und nicht wie vorhergesagt aus Ost. Wir nehmen die Windfahnensteuerung in Betrieb und brauchen eine Weile bis sie richtig eingestellt ist. Die Wellen sind inzwischen ordentlich und mir gehen die Flüchtlingsboote aus Holz nicht mehr aus dem Kopf, die sich hier durch die Wellen kämpfen müssen – grausam!! Ein letzter Blick auf El Hierro, der Atlantik liegt vor uns.
Später montieren wir noch die Baumbremse, die verhindert, dass das Großsegel durch eine hohe Welle auf die andere Seite katapultiert wird.
Plötzlich ein dumpfer Schlag – die Klemme des Baumniederholers, die Thomas zuletzt ausgetauscht hatte (war aber ein älteres Teil, beim ersten Mal die Notlösung), hat wieder den Dienst quittiert. Zum Glück haben wir während unseres Heimaturlaubs eine Neue bestellt. Thomas klemmt sich am Mastkorb ein und montiert die neue Klemme. Danach reffen wir noch das Groß, um möglichst in der Nacht unsere Ruhe zu haben.
Hunger haben wir beide keinen – wahrscheinlich muss sich der Magen wieder erst an das Geschaukel gewöhnen. So übernehme ich ab 8 Uhr die erste Wache.
Tag 2: Passage Kapverden Seit dem frühen Morgen segeln wir relativ gemütlich mit 13/15 kn achterlichem Wind. Sonne gibt es keine, es ist sehr dunstig. Wir sind jetzt 24 Stunden unterwegs und haben ein Etmal von 160 Seemeilen – wir sind zufrieden.
Leider haben wir über Funk nun schon zum zweiten Mal eine Meldung von anderen Booten mitbekommen, die ein Flüchtlingsboot gesichtet haben. Das belastet mich emotional ganz schön. Es ist halt was anderes, ob man diese Meldungen zuhause vor dem Fernseher verfolgt oder ob man selber mit einem Boot mittendrin steckt. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass es bei den Flüchtlingen ums nackte Überleben geht und wir machen das zum Spaß und haben alle Annehmlichkeiten an Bord.
Heute Nachmittag haben wir alle Reffs aus den Segeln genommen, haben noch 11 kn Wind und soll noch weniger werden 😳.
Als die Nacht anbricht, müssen wir die Segel reinholen und den Motor anwerfen. Der Vorteil ist, dass wir eine ruhige Nacht verbringen und unseren 3 Stunden Wach- bzw. Schlafrythmus einhalten können. Der Mond hat einen hellen Auftritt, es ist feucht. Lange Hose und Fleecejacke sind angesagt.
Tag 3: Passage Kapverden Heute Morgen scheint die Sonne ☀️, die wird auch gebraucht, das Deck ist pitschnass von der nächtlichen Feuchtigkeit. Mangels Wind zeigt sich der sonst wilde Atlantik von seiner ruhigen Seite. Er ist glatt, wir schaukeln nur wenig.
Wir beschließen, den Parasailor zu setzen, aber zuerst wird Kaffee ☕️ gemacht. Ohne Kaffee am Morgen ist der Skipper ja zu nichts zu gebrauchen 😉. Wir haben nur 6/7 kn Wind und sind froh, dass das Segel überhaupt steht. Mit 4 kn über Grund dümpeln wir gemächlich dahin. Dann wird Frühstück gemacht.
Mal klappt es gut mit dem Wind, mal schlechter. Wir sind faul, lesen, checken zwischendurch immer wieder das Wetter und hoffen auf 10 kn Wind am späten Nachmittag. Kurz waren sie mal da die 10 kn, aber dann haben wir am Abend wieder 5/6 kn und beschließen zunächst den Parasailor auch im Dunkeln stehen zu lassen – die einzige Möglichkeit das Motoren zu umgehen. Aber schnell wird klar, dass das keine gute Idee war, der Parasailor fällt ein und holen ihn so gegen halb acht doch runter und versuchen es mit Schmetterling 🦋. Das geht bis 23 Uhr gut, dann müssen wir doch den Motor anwerfen.
Tag 4: Passage Kapverden Der Wind hat heute Morgen wieder auf Nordost gedreht, so dass wir den Schmetterling auflösen und mit achterlichen 12 kn wieder auf Kurs segeln. Die Sonne scheint wieder, Kaffee ist in der Produktion, es gibt frisch gebackenes Brot 🍞, die Stimmung ist gut. 420 nm liegen bereits hinter uns, 300 müssen wir noch. Wird Zeit, dass ich langsam die Gastlandflagge Kapverden raussuche 😉.
Der Skipper macht die Angel klar – schauen wir mal, ob das Bordrestaurant eine Bereicherung erhält.
Tag 5: Passage Kapverden Die letzten 150 Seemeilen liegen vor uns. Wenn es so weitergeht, kommen wir morgen gegen Mittag auf Sal an. Heute Nacht hat endlich der versprochene Wind eingesetzt und wir haben wieder unseren Schmetterling gesetzt.
Leider finden wir die Leine für den Bullenstander (Sicherheitsleine, mit der das Großsegel befestigt wird, damit es nicht auf die andere Seite schlagen kann) nicht, Thomas meint, die müsste über Bord gegangen sein. Da die Ersatzleine tief in der Bugkoje steckt, auf der jede Menge draufliegt, setzen wir unsere Walder Baumbremse, die im der Nacht tatsächlich zum Einsatz kommt. Ich schlafe gerade im Salon, als ich plötzlich wach werde und durch die geöffnete Salonluke sehe, wie das Großsegel langsam auf die andere Seite schwingt. Ich bin sofort hellwach, ziehe mich an und gehe ins Cockpit, wo Thomas schon den Kurs angepasst hat. Da wir mittlerweile bis 20 kn Wind in Böen haben, beschließen wir, das Groß in die Mitte zu kurbeln, zu Reffen, um es dann an der richtigen Seite wieder raus zu lassen. Das Manöver gelingt gut und die restliche Nacht verläuft komplikationslos😅. Nur die Wellen sind sich mal wieder nicht einig, kommen aus verschiedenen Richtungen und schütteln uns mal wieder so richtig durch, schlafen geht so halbwegs.
Wir lassen jetzt täglich für eine Stunde den Watermaker laufen, auf den Kapverden ist Süßwasser ein kostbares Gut und muss von der Bevölkerung bei der öffentlichen Entsalzungsanlage gekauft werden. Wasserleitungen gibt es hier nicht.
Tag 6: Ankunft Sal – Kapverden Die letzte Nacht war anstrengend wegen der ungleichmäßigen Wellen. Schlafen ging trotzdem irgendwie. Thomas fängt am Morgen wieder einen echten Bonito und ist happy!
Gegen 12 Uhr Mittags haben wir es geschafft und liegen nach 750 Seemeilen vor Anker in Palmeira auf Sal. Damit haben wir seit Mitte August die 3000 Seemeilen geknackt.
Nach dem obligatorischen Ankerbierchen machen wir das Dinghi und die Bootspapiere klar zum Einklarieren. Wir fahren zum Dinghi Dock und es wird sofort klar – wir sind eindeutig in einer anderen Welt.
Die Atmosphäre ist entspannter, die Umgebung bunter und es ist nicht alles picobello.
Das Einklarieren geht schnell und problemlos, keiner wollte einen Ausklarierungstempel von den Kanaren sehen. Ich kaufe einer Einheimischen mit Kind den ersten Schmuck ab und sie lassen sich dafür auch von uns fotografieren. Unglaublich, was sie so alles auf dem Kopf tragen – ist wahrscheinlich besser für den Rücken. Aber nein, auf dem Rücken sitzt ja noch das Baby!
Am Hafen bestaunen wir die unterschiedlichen bunten Fische. Manche der Fische haben einen anderen im Maul stecken. Der junge Fischer schaut mich verschmitzt an, reibt sich den Bauch und sagt „hungry“ – echt witzig.
Gegen 17 Uhr kommt ein weiteres deutsches Segelboot in die Bucht, die Boemerang mit Franka und Ingo an Bord. Unterwegs hatten wir uns schon über Whattsapp ausgetauscht und haben uns gegenseitig auf ein Bier eingeladen. Sie werfen neben uns den Anker, sie machen ihr Boot klar und wir setzen uns ins Beiboot und fahren auf ein Bierchen rüber. Das hat direkt so gut geklappt mit uns, dass wir uns erst verabschieden, als es schon längst dunkel ist – es war ein sehr schöner Abend. Wir essen noch die Reste von gestern und fallen früh am Abend todmüde ins Bett und genießen die erste ruhige Nacht mit wieder durchschlafen.

Wow, so spannend … da fühlt man sich offensichtlich schon auf dem Meer mit dem Wellengang in einer anderen Welt !